Schreibe, um zu überleben – Déjà-vu!

Es war 1985. Mein Versuch, ein Off-Theater in Ostberlin, damals Hauptstadt der DäDäÄrr zu gründen, war von der Behörde verboten worden.

1981 Schwedt an der Oder
Schon beim Brecht- Programm spielte die Zensur mit

Spinner, Staatsfeind – frei auf eigene Rechnung

Im Tagebuch vom 29. Juli steht:

„Das Gefühl ABSOLUTER SCHUTZLOSIGKEIT als einziger Beleg (und Preis) für moralische Integrität – wie lange hält man das aus?
Entsetzlich: dieses Verwundern der Leute, dass man nicht konform geht, dass man nicht bereit ist, den Preis für Wohlstand und Erfolg zu zahlen. Sie achten – respektieren – nur den ERFOLGREICHEN Künstler, nicht den Künstler. Sie nehmen, was sie zur Selbstbestätigung brauchen und bemerken nicht den Selbstbetrug. (Wie sich unsere Gesellschaft in ihren Elitekünstlern selbst betrügt). Was für eine Verantwortung für die wirklich Großen: Widerstand über jede Koketterie hinaus!”

Das ist – Kernfragen von Uwe Tellkamps „Turm“, dem 2008 mit dem Deutschen Buchpreis bedachten Roman um 23 Jahre vorwegnehmend – ein Kommentar besonderer Art … Und dann fragt sich der nach Hinauswürfen und Verboten zur Untätigkeit Verurteilte, was bleibt:
„Das Wenige, das ich mir auferlege, ist meiner Angst geschuldet, …, die Konfrontation suchen, um nicht vereinnahmt zu werden, …, Leiden, um unempfindlich zu werden (wie unempfindlich bin ich schon?).“
Dann aber steht da mit roter Tinte:
„Verweigerung als die bequeme Möglichkeit, sein Teil Schuld nicht tragen zu müssen?“
Was für eine bizarre Frage angesichts der Tatsache, dass die an Brutalitäten und Rechtsbrüchen Schuldigen sich damals wie heute erfolgreich ihrer Verantwortung entziehen!

Das Beste an Heidelberg …

Zigarrenwonne

Wonnen des Zigarrenrauchs


… ist das Café gegenüber vom Bahnhof. Dort kann man rauchen. Von dort ist es auch nicht mehr weit zu den Zügen, die einen aus Heidelberg wegschaffen.
Es hätte mich nicht gewundert, wenn es in der vom Tourismus verwüsteten Neckarstadt überhaupt keinen gemütlichen Ort mehr gäbe, an dem ich eine gute Havanna zum Kaffee bzw. Viertele hätte genießen können. Immerhin wird von hier aus der Feldzug gegen den mörderischen Qualm dirigiert. Die Krebsforscher sind Lichtgestalten, deren Aura das ansonsten trübe Bild nicht nur von Gesundheitspolitikern ein wenig aufhellt; Verdienstorden säumen ihre Ruhmeswege.
Nebenher leisten sie einen bedeutenden Beitrag zur kulturellen Ausprägung des deutschen Nationalcharakters. In dem zweiten Rauchercafé von Heidelberg (man bat mich dort, Namen und Standort nicht herauszuposaunen) feiert das Denunziantentum seine Restauration (schöner Doppelsinn!): mehrmals die Woche wird beim Ordnungsamt angezeigt, dass Schwaden aus dem Rauchersalon, durch eine von Zeit zu Zeit benutzte Tür hindurchwabernd, die empfindliche Gesundheit der daneben verweilenden Nichtraucher bedrohen. Natürlich könnten sie sich woanders hinsetzen – vielleicht sogar in ein Nichtrauchercafé. Damit aber wäre ihrem teutonischen Furor nach der Durchsetzung von Verboten nicht Genüge getan: „Da könnte ja jeder …!“, „Wehret den Anfängen!“ Vermutlich fahren diese von wissenschaftlichem und gesellschaftlichem Missionsgeist Druchdrungenen in der Welt herum, um Reiseveranstaltern ihre Versäumnisse vorzurechnen – es ist ihr Verständnis von Migration mit Leitkultur.
Es wird schließlich nicht nur die Gesundheit geschützt. Deutschland ist und bleibt das Reservat von Hausmeistern, Oberlehrern, Denunzianten, die vor allem eines wollen: Ihre Mitmenschen zur Ordnung erziehen. Welche Ordnung ist eigentlich egal. So ist dafür gesorgt, dass sämtliche historischen deutschen Perioden von Barbarossa bis zur DäDäÄrr in ihren Archetypen weiterleben, überall.

Dichtung und Wahrheit

Der arme Poet

Penthouse oder Mansarde?


Wenn es mit dem Geldverdienen wieder einmal gar nicht klappt, einem obendrein liebe Kolleginnen und Kollegen in den Ohren liegen, man möge ihnen doch Tipps geben, wie sie mit welchen Beiträgen bei welchem Sender, Verlag, …. (beliebig zu ergänzen durch andere Auftraggeber) landen und somit oder durch Inanspruchnahme öffentlicher Fördergelder instand gesetzt würden, ihre Rechnungen zu bezahlen, dann, ja dann ist es wieder einmal Zeit, sich in eine ruhige Ecke zu setzen mit einem Glas Rotwein, einer Zigarre oder einer Pfeife voll guten Rauchtabaks und etwas zu dichten.

Etwas, das niemandem gefallen muss, außer einem selbst, etwas das keinerlei Applaus noch sonst irgendeinen kurzfristige Nutzen verspricht, sondern einfach nur der Freude am Gelingenden dient. Natürlich ist diese Freude, diese kurzfristige Abwendung von Leistungsmessungen aus dem “Markt”, diese Hinwendung zu sich selbst auch von Nutzen, vermutlich sogar von ziemlich nachhaltigem. Sie erhöht die Lebenserwartung. Messbar ist das nicht, die Messung aber schon deshalb unsinnig, weil eine Lebenserwartung rein quantitativer Art, beziffert nach Lebensjahren, -wochen, –tagen, –stunden, –minuten, –sekunden ja zurück in die Falle der Leistungs- und Quotenwelt führte, geradewegs zur Zwangsvorstellung vom Pharmavertreter, der mit der Stoppuhr neben dem Sterbelager wacht.

Es ist Erwartung an Leben selbst – nur und ausschließlich am Wohlgefühl messbar, in der Welt zu sein, just mit den Erfahrungen und den Ausdrucksformen, die einem zu eigen sind.

Das ist der Nutzen des Dichters – oder?

Seltsame Texte

Immo 1982

Spinner, Staatsfeind: frei auf eigene Rechnung

Es war 1985. Mein Versuch, ein Off-Theater in Ostberlin, damals Hauptstadt der DäDäÄrr zu gründen, war von der Behörde verboten worden.
Im Tagebuch vom 29. Juli steht:

„Das Gefühl ABSOLUTER SCHUTZLOSIGKEIT als einziger Beleg (und Preis) für moralische Integrität – wie lange hält man das aus?
Entsetzlich: dieses Verwundern der Leute, dass man nicht konform geht, dass man nicht bereit ist, den Preis für Wohlstand und Erfolg zu zahlen. Sie achten – respektieren – nur den ERFOLGREICHEN Künstler, nicht den Künstler. Sie nehmen, was sie zur Selbstbestätigung brauchen und bemerken nicht den Selbstbetrug. (Wie sich unsere Gesellschaft in ihren Elitekünstlern selbst betrügt). Was für eine Verantwortung für die wirklich Großen: Widerstand über jede Koketterie hinaus!

Das ist – Kernfragen des Buches vorwegnehmend – ein Kommentar besonderer Art zu Tellkamps „Turm“. Und dann fragt sich der nach Hinauswürfen und Verboten zur Untätigkeit Verurteilte, was bleibt:

„Das Wenige, das ich mir auferlege, ist meiner Angst geschuldet, …, die Konfrontation suchen, um nicht vereinnahmt zu werden, …, Leiden, um unempfindlich zu werden (wie unempfindlich bin ich schon?).“
Aber dann steht da mit roter Tinte:
„Verweigerung als die bequeme Möglichkeit, sein Teil Schuld nicht tragen zu müssen?“
Was für eine bizarre Frage angesichts der Tatsache, dass die an Brutalitäten und Rechtsbrüchen Schuldigen sich damals wie heute erfolgreich ihrer Verantwortung entziehen!

Die teuren Toten

Im „Spiegel“ war zu lesen, wie ein in Afghanistan von fanatischen Moslems getöteter junger Mann aus Bayern in seinem Heimatort geehrt wurde: Sein Name ward dem örtlichen Denkmal der Gefallenen zweier Weltkriege hinzugefügt.
Das ist insofern eine angemessene Würdigung, als dem Soldaten kriegerisches Heldentum zu bescheinigen ist. Es gehört jedenfalls Mut dazu, sich den Wahnvorstellungen todesverachtender Fanatiker – egal welcher Glaubensrichtung – entgegenzustellen. In Deutschland betätigen sich solche Fanatiker (noch) nicht offen. Das Problem: Obwohl in Deutschland historisch belastet, bleibt „heldenhaftes“ Verhalten immer noch die von der Massenkultur tagtäglich als wünschenswert und sozial hochwertig verkaufte Option. Der Afghanistan-Krieg aber ist der Mehrheit unerwünscht. Wer den einen ein Held, ist den anderen ein Abscheu. Der Fall Sarrazin beweist , dass es vom Helden zum Sündenbock nur ein sehr kleiner Schritt ist – und wie diese Rollen korrespondieren.
In der Thüringischen Stadt Suhl hat die DäDäÄrr-Administration in den siebziger Jahren das Denkmal für die Gefallenen von 1914 bis 1918 abgeräumt. Es sollte keine Helden außer Kommunisten geben. Der politisch korrekte Held war erfunden.
Ein toter Bundeswehr-Soldat aus Suhl, gefallen in Afghanistan, würde vermutlich versteckt werden auf dem Friedhof, als sei der Tod dieses Menschen trennbar von der Geschichte aller Völker dieser Welt, als sei das Prinzip „Gewalt Macht Lust“ irgendwie nach Nationen, Religionen, Parteiungen sortierbar. Als sei DäDäDäÄrrr friedlich gewesen, weil sie Kriegerdenkmale abräumte.

Ermutigung mit Zeitzünder

Es hat zwar ein bisschen gedauert, aber wenn nach vier Jahren ein Buch so gelobt wird, wie „Der menschliche Kosmos“ jetzt vom wirklich sachkundigen Andreas Zeuch auf „psychophysik.com“, dann ist es ein deutliches Zeichen für die Frische der Texte und ein Grund zur Freude:
„Wer sich von – wie es auf dem Buchrücken selbst lautet – „Fundsachen“ inspirieren lassen kann, wird reich belohnt. Und wer dann noch bereit ist, die „praktischen Übungsstückchen“ zu erkunden, wird aus eigener Erfahrung Neues lernen können.“

You tube für die Eine Welt

Javanischer Bauer pflügt mit Ochsen

Bauer im Dürregebiet auf Java

Seit gestern online: das Film- und Bürgerportal ”Human Pictures”. Wer engagierte Filme, Videos , Fotos – sei’s auch nur vom Handy – hochladen möchte, die ein besseres Zusammenleben von Menschen und Völkern zum Ziel haben: Hier ist der richtige Platz. Zitat aus der Plattform:
”In welcher Welt möchten Sie leben? In einer, wo niemandem etwas passieren kann, weil es eine perfekte Kontrolle gibt, oder in einer, wo jeder seinem Mitmenschen vertrauen kann, weil fast alle sich an Werten wie Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft, Selbständigkeit und Verantwortungsbewusstsein orientieren?
Gefiele Ihnen ein perfekt funktionierendes System besser – mit vollkommener Gerechtigkeit – oder ein Gemeinwesen, in dem jeder aus Fehlern lernen darf, sich aber auch nicht vor schwierigen Aufgaben drücken muss?”

Management by Lenin

Titelbild

Gewalt Macht Lust: die Dreifaltigkeit des Terrors

„Was war der Kommunismus?“, fragt Gerd Koenen im Titel seines schmalen aber äußerst gehaltvollen Buches und gibt auch gleich Auskunft über den Sinn der Fragestellung: In der Vielgestaltigkeit seiner Strömungen erkennt Koenen den alle Kommunistischen Parteien einigenden Grundimpuls – es gab nicht mehrere „Kommunismen“ – und er konstatiert, dass sich dieser Grundimpuls ebenso erledigt hat, wie die Parteien, die ihn im Namen führten und führen.

Kenntnisreich, tiefgründig, einsichtig legt er Eigenarten und Entwicklungen des Kommunismus zwischen seinem Kernreich, der UdSSR, und China, Südamerika, Europa dar. Die Genesis der bolschewistischen Herrschaft in Russland, die Versuche, weltweite Bewegungen in Gang zu setzen, das Scheitern an ökonomischen Aufgaben, die totalitäre Ausprägung von Macht als universeller Geheimhaltung und allgegenwärtigem Terror, der sich nicht nur gegen den „Feind“, sondern in blutigen Säuberungen immer wieder auch gegen die eigene Elite richtet: Koenen liefert sowohl die Übersicht wie auch die Analyse des systemischen Geschehens.

Das Wichtigste ist indessen, dass Koenen von Anfang an die systemischen Durchdringungen des Kommunismus mit dem Kapitalismus im Auge hat und überzeugend darlegt, wie Denkweisen, Strategien, Wendungen und „Reformen“ beider sich gegenseitig bedingen. Was sich als sein Antipode ausgab – und aus diesem Anschein heute noch Anziehungskraft auf Gegner einer hemmungslosen globalen Marktwirtschaft bezieht – ist in Wirklichkeit ein Gewächs des Kapitalismus; es basiert und funktioniert auf gleichen politökonomischen Wechselwirkungen.

Wie sich in ihm mechanische Denkmodelle mit despotischen Herrschaftsformen paaren, lässt sich an der Leninschen These „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ studieren, die dem Menschenbild des Managements weithin immer noch zugrunde liegt. Zwanzig Jahre nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Machtblocks, mitten in der schwersten Krise der Finanzmärkte und der Währungssysteme stellt sich immer noch die Frage, ob Marktwirtschaft und Demokratie es schaffen, auch diese wichtigste Umwälzung zu überleben: hin zum Menschen.

Im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht 2010, ISBN 3525323018

China und die Menschenrechte

Für 70 € im Monat leben - ohne Hartz 4

Jobangebot in China


Das beklagenswerte Bild, das die westlichen Demokratien nach dem Untergang des realen Sozialismus Ost auf dem Weg in den realen Sozialismus West bieten; der Furor, mit dem „Eliten“ und „Anspruchsberechtigte“ das Gemeinwesen zerpflücken, die ungebremste Gier nach Macht und Gütern, das auf Quoten und Konformismus orientierte Medienunwesen, in dem Kultur zu Monokultur umformatiert wird: Was davon sollte die Chinesen beeindrucken? Monokultur und Konformismus haben sie selbst. Sie haben den Mediokratien des Westens voraus, dass sie Nörgler konsequent zum Schweigen bringen, statt sie zum Sozialhilfesatz durchzufüttern. Die Geldmaschinen drehen in China schneller, die Reichen werden reicher, die Armen müssen tun, was übrig bleibt zu Hungerlöhnen – mit etwas staatlicher Beihilfe.
Universelle Werte? Wer lebt die vor? Das Ehepaar Clinton? Her Bush jun.? Herr Zumwinkel? Herr Schröder? Herr Berlusconi?
Die Politik, die Wirtschaft – vor allem die Banken – des Westens arbeiten dem ZK der KP Chinas vortrefflich zu: sie machen in Peking Schulden, sie werden darüber zu politischen Leisetretern, deren Moral die Chinesen nur deshalb nicht öffentlich verlachen, weil sie als kluge Strategen den nützlichen Idioten gestatten, das Gesicht zu wahren.

Alltag, Tod und Traum

Pest, Cholera, Angestellt
Kann einer heute noch Balladen schreiben? Schillersches Pathos hilft sicher nicht weiter, aber wo steht geschrieben, dass Balladen nicht schräg, komisch, bissig sein dürfen?
Moral ist nicht mehr unbedingt Ansichtssache angesichts kollabierender Geldmaschinen, staatlicher Hehlerei, massenhafter Fürsorge als Milliardengeschäft. Moral könnte dem Überleben dienen.