Natürlich werden weiterhin diejenigen den Westen als Wurzel allen Übels in der Welt ausmachen, die ihn schon immer so sahen. Dass und wie ihre Wahrnehmung auf Feindbilder fixiert und für die Vernunft unzugänglich wird, hat Umberto Eco in seinem – übrigens brillant recherchierten – Roman “Der Friedhof in Prag” geschildert. Wer weiter an eine jüdische oder westliche Weltverschwörung glauben will, wird sich von Eco sowenig beeindrucken lassen wie vom einschlägigen Kapitel in “Der menschliche Kosmos”.
Der untergegangene “Friedensstaat DDR” im Osten muss in den Erzählungen seiner “Friedensfreunde” auf den neuen Montagsdemos vorbildhaft bleiben, schon weil sie mit dem Argument “Bist du etwa nicht für den Frieden?” – und das bedeutete: gegen den bösen Westen – jeden mundtot machen konnten, der auf sowjetische Kriegsverbrechen in Polen, Millionen Opfer in sowjetischen Arbeitslagern, in den Kampagnen der chinesischen Kulturrevolution und auf den Killing Fields in Kambodscha zu sprechen kam. Es herrschte insofern dort Frieden.
Die Friedensfreunde mit dem rinkslechten Moralfuror sehen auch heute den Westen als eigentlich Schuldigen für die Kriegshandlungen in der Ukraine, für radikal islamischen Terror von Taliban, Al Qaida, Isis, Boko Haram etc. an. Welche Welt wünschen sie sich? Natürlich nicht eine mit entsetzlichen Fehlern und grausamen Irrtümern behaftete, mit ungleich verteilten Gütern und dem unzulänglichen, lernbedürftige Rechtsstaat, wie es die westliche Demokratie ist. Daran müssten sie sich abarbeiten – gemeinsam mit Leuten womöglich, die ihren Pazifismus im Konflikt mit Stasi und DDR-Militärdoktrin gehärtet haben und darum im “Friedensstaat” als “feindlich-negatives Subjekt” verfolgt, inhaftiert, “zersetzt” wurden. Die neuen, besseren Pazifisten müssten sich allerdings fragen lassen, welche persönlichen Konsequenzen sie mit ihrem Pazifismus verbinden: die des Pfarrers Oskar Brüsewitz etwa, den der “Friedensstaat” zum Schweigen brachte?
Wie einfach und effizient ist es doch, sich im verdorbenen Westen stattdessen als einzig wahre Friedensfreunde darzustellen, deren moralische Sendung – kämen sie nur erst an die Macht – die Gewalttäter und Dorftyrannen dieser Welt alsbald ebenso friedfertig stimmte. Beweisen müssen sie das nicht: Ihre Weisheiten verkünden sie aus sicheren Unterständen, nichts ficht sie an. Der Westen schützt – der Meinungsfreiheit verpflichtet – seine eigenen Verächter. Damit widerlegt er freilich die antiwestliche Propaganda einigermaßen überzeugend. Ertragen wir also – wie Joachim Gauck – die Hasstiraden der rinkslechten “Friedensfreunde” von einst und jetzt. Kaum einer von ihnen befand sich je in Notlagen; sie sind gerne Nutznießer von Demokratie und Rechtsstaat, solange es sie keine Anstrengung kostet.
Das Problem der Gottesstaaten ist – wie das der Bessermenschen hierzulande – dass sie das eigene Versagen nicht in Rechnung stellen. Sie wollen nicht an Konflikten wachsen, sie wollen das Eiapopeia untereinander und die harte Faust am Gegner. Es funktioniert nicht – bei den “Piraten” nicht, nicht bei anderen Lechtsrinken. Knechtseelen sind Konflikten sowenig gewachsen wie selbsternannte moralische Instanzen. Die Duckmäuserei politisch korrekter Sprache, die dazu passende Meinungs-Führerschaft ihrer Erfinder zielt nicht auf Frieden, sie will Friedhofsruhe.