Spezialisten fürs Soziale

Neues über Spiegelneuronen

Das Buch zum Thema

Ohne sie gäbe es kein Lernen, keine Sprache, keine Kultur: Spiegelneuronen, die Organisationszentrale der Bewegungen und sozialen Interaktionen im Gehirn. 5 Minuten spannende Wissenschaft aus der „Buchkritik“ bei SWR 2 in der ARD-Mediathek

Mehr über die nonverbale Kommunikation, ein „Arbeitsfeld“ der Spiegelneuronen, finden Sie auf der Homepage; Informationen zu Film- und Buchveröffentlichungen bei den Referenzen

Aschewolken

Wir sehen nur, was unser Gehirn erlaubt

Das Gehirn entscheidet - nach Gefühl

Fällt irgendwem auf, dass so schöne Geld- und Quotenbringer wie Schweine-, Vogelgrippe, BSE, Klimawandel durch Kohlendioxyd, die Phantom-Polizistenmörderin von Heilbronn, … starke Ähnlichkeiten mit dem Hexenwahn haben? Es handelt sich um Wahrnehmungsphänomene. Das Unangenehme (oder Lebenserhaltende) an ihnen ist ihre Kopplung an elementare Verhaltensstrategien, na, sagen wir mal, damit’s auch der Erfinder des Bügelfernsehens versteht: Gefühle. Es gibt eben keine „wissenschaftliche Wahrheit“, nur interessengesteuerte Kommunikationsinhalte – allesamt Konstrukte der Gehirne von Menschen. Also, aber das geben vor allem die verblendeten Mitläufer nichtmal zu, wenn’s richtig schief läuft wie 1945 oder 1989 oder 2008 … (Fortsetzung folgt): Wahnvorstellungen.

Sprachpatente

Hier mal wieder ein Text aus dem Osten. Veraltet? Die Witze vielleicht.

Wenn die Dummheit Quote macht

Wenn die Dummheit Quote macht

Wer schläft, der sündigt nicht: O schöner Spruch!
O allumfassender Dispens fürs Unterlassen!
Ein kollektives Schnarchen füllt die Gassen
Und, dazu passend, leichter Mundgeruch.
Die Kissen weich, die Türen fest verschlossen
Die Wachen geh’n mit ruhig festem Schritt
Und in der Kneipe sitzen die Genossen
Und schreiben deine schönsten Witze mit.
Wo man so schnarcht, lass dich nicht ruhig nieder
Und frag bloß nicht: „Was wird denn hier verpennt?“
Weil man dich sonst ’nen Nestbeschmutzer nennt
Und solchen Leuten bricht man alle Glieder.
Reden ist Silber, alter Freund, das du verschwendest
Schweigen ist Gold, weil’s den Geschäften dient.
Die Welt ist ganz mit Schweigegold vermint.
Das macht uns stumm – wohin du dich auch wendest.
Geh rasch, solange noch die Hunde schlafen.
Den, der zu spät geht, wird das Dorf bestrafen.

Er kann dann aber zur Arbeitsagentur gehen.

Abend

von Berg zu Berg

von Berg zu Berg

Die Sonne geht und lacht mir ins Gesicht
„Ermann dich, alter Geck, was hoffst du noch zu schonen?
Dein Tag ist flüchtig, also säume nicht
Und such dein Glück dort, wo die Wolken wohnen“.
Schon steckt sie mir den Himmel an und Feuer zieht
Von Berg zu Berg, zum Rhein, zum Rand der Welt.
Und während in die Täler Asche fällt
Der Mond schmerzlich erstaunt herniedersieht
Die Galaxien über unsere Zukunft lachen
Will ich allein mit dem Vergangenen wachen.

Flüchtige Gesänge

vorm frühlingslechzenden Gezweig

vorm frühlingslechzenden Gezweig

Es sind die leisen Laute, die mich bannen
Ein unbezahlbar unbezahltes Lied
In fremder Sprache, nicht für mich bestimmt
Voll Inbrunst – weiß noch einer, was das ist?
Und nicht im Film, nicht mikrofonverstärkt
Nicht lichtumkränzt, nicht öffentlich beklatscht!
Es rührt ein Namenloser mir das Herz
So tief wie’s keine Macht der Welt vermöchte.
Er singt dem Schnee das letzte Lebewohl.
Er singt Triumph der Nacht, dem Frost, dem Tod.
Er singt die Liebe und ist liebeskrank
Und schreit sein winzigkleines warmes Leben
Mit aller Kraft in wintergraue Welten.
Und er beschämt mich tief
Den kohle-, stein- und stahlbewehrten Riesen.
Ich steh vorm frühlingslechzenden Gezweig
Und kann vom Federbalg den Blick nicht lassen
Wie er all Lust und Leid aus voller Kehle
So zu Musik macht, wie’s sonst keiner tut.

Der neue kommt …

Generationenroman

Im Herbst kommt die Fortsetzung – deshalb erlaube ich mir, noch einmal auf den Roman “Blick vom Turm” hinzuweisen, der 2008 im Salier Verlag Leipzig erschienen ist.


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Der Roman kam nicht von Ungefähr zwanzig Jahre nach der Endzeit der DDR, im selben Jahr wie Tellkamps “Turm” – er spielt in Tellkamps Geburtsjahr 1968 und sein Held Gustav Horbel ist – wie Tellkamps Hauptfigur – ein Abiturient. Es sind Generationenabstände. Die Familiengeschichten allerdings reichen sehr viel weiter zurück: bis in die 30er Jahre des 19.Jahrhunderts in einer Kleinstadt in Thüringen.
Auf den ersten Blick ist das ein Ort, für den sich niemand interessieren muss – tiefste Provinz. Gustav Horbel aber erlebt, wie diese kleine Welt mit der Kulturrevolution in China zusammenhängt, mit der ersten Liebe seiner Ur-Urgroßmutter und dem Untergang der Selbständigen in der DDR. Aus Gustavs Heimat kommen nicht nur entscheidende Ideen für eine Waffe, die bis heute mehr Menschen umgebracht hat, als alle Atombomben – die “Kalaschnikow”-, sondern dort wachsen 1968 Filmstars heran, Wissenschaftler, Weltreisende, aber auch kleine Leute, die zwanzig Jahre danach über sich selbst hinauswachsen, die ein vermeintlich unerschütterliches, perfekt gesichertes politisches System zum Einsturz bringen werden.
Der Turm, von dem das Buch erzählt, ist nur noch Ruine. Die Ideen, Erlebnisse, Erfahrungen der Menschen um ihn herum – sie leuchten.

Im Herbst 2010 wird bei Salier “Babels Berg” verlegt; der Roman schließt mit dem Jahr 1969 an.
Alles ist möglich: Menschen landen auf dem Mond, zwischen West- und Ostberlin kann man wieder telefonieren, ein Diskus fliegt kilometerweit, ein Deutscher bekommt den Friedensnobelpreis, in Gustavs Thüringer Heimatstadt gibt es das europaweit beste Japan-Restaurant: Anfang der 70er Jahre sprechen viele Zeichen für Aufbruch, Fortschritt – und unbegrenztes Vergnügen bei erotischen Abenteuern jenseits der Familienplanung.
Gustav Horbel ist in der Hauptstadt Berlin gelandet, um Physik zu studieren, denn er ist sehr neugierig darauf, was die Welt im Innersten zusammenhält. In Berlins Straßen, in Bars und Theatern, im Thüringer Wald und in den Reichsbahnzügen dazwischen lernt er dann viel mehr darüber als in Labors und Hörsälen. Während er mit Prüfungen an der Universität wenig Scherereien hat, macht er in den Prüfungen des Lebens keine besonders gute Figur, er will einfach zu hoch hinaus. Ob das am Geist dieser 70er Jahre liegt, in denen alles möglich scheint?
Zwischen Traum, Wahn und Wirklichkeit stolpert Gustav durch eine bewegte Zeit. Gott sei Dank nimmt ihn immer wieder jemand bei der Hand, manchmal ein berühmter Mann, manchmal die schönste Frau der Welt.

Vom rituellen Schlachten

(aus „Der menschliche Kosmos“)

Das älteste und unentbehrlichste Haustier des Menschen ist der Sündenbock. Dieses Tier besitzt einige erstaunliche Eigenschaften: es ist praktisch fast überall und jederzeit verfügbar, ohne dass es anwesend sein müsste. Sein Aussehen ist von unbegrenzter Mannigfaltigkeit, niemand kann behaupten, je seine Urgestalt erblickt zu haben, noch eindeutige artspezifische Merkmale benennen zu können.
Vom Sündenbock lässt sich nur soviel mit Sicherheit sagen: er ist immer da, wenn er gebraucht wird, und er ist schuld.
Niemand hat meines Wissens – und das grenzt in der Ära der Statistiken und des alles erfassenden quantifizierenden Denkens an ein Wunder – genau quantifiziert, wie viel Zeit Menschen im Laufe ihres Lebens auf Jagd nach dem Sündenbock verbringen. Es ist sehr viel. Das Kind, um dem strafenden Blick zu entgehen, lernt nicht nur früh das reflexhafte „Ich war’s nicht“, sondern auch alsbald den weitere Verfolgung abwendenden Satz: „Er (oder sie) war’s“, oder etwas intelligenter: „…hat angefangen“. Und ebenso schnell lernt das Kind, dass abwesende Sündenböcke viel besser sind als anwesende: sie können sich nicht dagegen wehren, wenn es sie beschuldigt.
Aus Reden und Reaktionen der Erwachsenen erfahren Kinder, dass dies eine sehr erfolgreiche Strategie ist, weil überhaupt immer jemand schuld sein muss, wenn etwas schiefläuft. Da im Leben einiges schiefläuft, verbringen Menschen von der Kindheit bis zum Greisenalter viel Zeit mit der Suche nach Schuldigen. Sagen wir lieber genauer: mit der Jagd nach Sündenböcken. Denn tatsächlich sind an schieflaufenden Angelegenheiten allzu häufig mehrere Seiten beteiligt – womöglich man selbst – und da bietet sich das gut verfügbare, schnell als Ziel auszumachende und möglichst gefahrlos zu schlachtende Tier einfach an.
Da es zu erlegen ein allgemein akzeptiertes Ritual ist, wird jeden Tag in den Zeitungen auf Titelseiten und in den Kopfmeldungen der Fernsehanstalten gern ein Sündenbock geschlachtet. Nur dem Zeter-und-Mordio- Ritual und dem Mitleidsritual hängen Menschen und Medien mit vergleichbarer Hingabe an – und wenden entsprechend viel Zeit dafür auf. Denn nicht nur die wirkliche Jagd zu Hause oder am Arbeitsplatz frisst ja Zeit, auch die Beschreibungen, Analysen, Klassifizierungen der politischen, wirtschaftlichen, moralischen Erscheinungsformen des Sündenbocks in den Medien, die Präsentationen im Spielfilm und Showbiz, im Fußball und in der Wissenschaft müssen dazu gerechnet werden, weiter die Reden im Wirtshaus, beim Friseur oder im Verein. Genaugenommen sind wir mit wenig anderem so ausdauernd beschäftigt wie mit diesem Ritual, und das heißt: Feindbilder zu zeichnen und Schuld zuzuweisen.
Niemand wagt ernsthaft, den Sinn und die Zweckmäßigkeit dieses Rituals öffentlich infrage zu stellen.

Der nackte Kaiser

... aber eine eigene Meinung haben, kann den Job kosten!

Es verfestigt sich der Eindruck, dass im Buchmarkt der objektivierende Subjektivismus im Bunde mit dem Quotenwahn der Verkäufer triumphiert. Lektoren der mit hinreichender Marketingmacht ausgestatteten Verlage machen ihre persönlichen Vorlieben zum Kleiderständer, an den die Feuilletons ihre Fähnchen hängen dürfen. Wie im Fall Hegemann bleibt da wenig mehr zu besichtigen als schlaffe, untrainierte und übergewichtige Entblößung – leider ruft zu selten jemand “der hat ja gar nichts an!”