Hier mal wieder ein Text aus dem Osten. Veraltet? Die Witze vielleicht.

Wenn die Dummheit Quote macht
Wer schläft, der sündigt nicht: O schöner Spruch!
O allumfassender Dispens fürs Unterlassen!
Ein kollektives Schnarchen füllt die Gassen
Und, dazu passend, leichter Mundgeruch.
Die Kissen weich, die Türen fest verschlossen
Die Wachen geh’n mit ruhig festem Schritt
Und in der Kneipe sitzen die Genossen
Und schreiben deine schönsten Witze mit.
Wo man so schnarcht, lass dich nicht ruhig nieder
Und frag bloß nicht: „Was wird denn hier verpennt?“
Weil man dich sonst ’nen Nestbeschmutzer nennt
Und solchen Leuten bricht man alle Glieder.
Reden ist Silber, alter Freund, das du verschwendest
Schweigen ist Gold, weil’s den Geschäften dient.
Die Welt ist ganz mit Schweigegold vermint.
Das macht uns stumm – wohin du dich auch wendest.
Geh rasch, solange noch die Hunde schlafen.
Den, der zu spät geht, wird das Dorf bestrafen.
Er kann dann aber zur Arbeitsagentur gehen.
Das kollektive Schnarchen hat überlebt. Und inzwischen werden die schönsten Witze eben von Lidl, Schlecker & Co mitgeschrieben bzw. sogar „verfilmt“. Über Geschäfte wird schon lang der Mantel des Schweigens gebreitet. Ergo: Ein durchaus aktueller Text, und deutsch sein heißt: im Vergessen geübt.
Gar nicht veraltet.
Erinnert mich ein wenig an den „braven Soldaten Schwejk“, und der ist ja auch – obwohl historisch klar einzuordnen – quasi zeitlos.
(Kennst du übrigens – apropos Witze – das „Horst-Wessel-Butterbrot“? Die Butter marschiert im Geiste mit. Hab ich von meinem Vater, der 1944 mit 17 Jahren regulär zur Wehrmacht eingezogen wurde…)