Der neue Roman will geschrieben sein. Er will ankommen im Hier und Heute, er wird sich vier Jahrzehnte Erfahrenes einverleiben, weil Träume niemals altern und weil sie die Energie der Erfahrung aufzehren müssen. Glauben mag das wer will – hier ein Pröbchen.
Ein silberner Ballon hängt im Blassblau, Sticker am Seidenshirt des Sommertages, der sich bald zum Rekordsommertag heißlaufen wird. Gustav Horbel träumt sich hinauf in den Korb, wo es noch kühl sein muss morgens um 7. Er sähe von dort die Rheinebene vorm Schwarzwald, die Autobahn nach Basel, den Strom, die Türkise neben Kieswerken; Türkise im Kiesel. Er kieste die Tür, er kürte den Diesel, hatte den öffentlichen Diesel erkoren für den Weg zum Bahnhof der Bäderstadt, die Liebste durfte weiterschlafen, „musst nicht aufstehen, hab kaum Gepäck, träum noch ’n bisschen“, ein Küsschen, trauliches Ritual, entzückende Schläfrigkeit, die sich räkelt in der Wärme am noch kühlen Morgen, dem heiß der Julitag folgen wird, den Siebenschläferrekord zu brechen: Sonne, sieben Wochen lang, und eine Rekordpopulation an Siebenschläfern dazu – allerdings nur in Osnabrück, so war im Internet zu lesen, nirgendwo sonst. In Osnabrück tauchten Tausende der wegen ihrer Seltenheit geschützten Bilche auf im Rekordsommer, zeigten ungeniert die buschigen Schwänze, spukten auf Dachböden, erschreckten eine um Haus und Garten besorgte Alte, die nix weiter getan hatte, als ihre Rosen mit Bananen zu düngen.
„Na“, sprach missingsch der Mann vom Veterinäramt im Webvideo, „kein Wunder, dass das die Bilche anzieht, die sind verrückt nach Bananen“, und zeigte einen im Gitterkäfig gefangenen vor, er werde ihn nun aussetzen im Wald, 20 Kilometer entfernt. Das Video zeigte, wie ein gar nicht schläfriger Siebenschläfer den Stamm einer Buche umrundete, noch einmal den Arm des Fängers aufsuchte, vielleicht eine Abschiedsbanane erheischend. Gustav erinnerte sich, wie die Kraft der Bananen 20 Jahre zuvor geholfen hatte, ein Staatswesen einstürzen zu lassen, stete Banane höhlt den Sozialismus, wie ein Mann namens Krause die Zukunft von Ananas und Bananen für alle beschworen und einen Vertrag unterzeichnet hatte, der den Preis der Dosenananas zum Argument einer gesamtdeutschen Staatsgründung erhob. Der Mann war wenig später aus der Politik verschwunden, billige Bananen und Ananas aber waren geblieben, so billig, dass in Osnabrück, wohl auch in Wittenberg Beete damit gedüngt werden konnten, den Bilchen zur Freude.
Gustav, wie stets um störende Einwände nicht verlegen, sah in der Tatsache, dass wieder eine Spezies die Scheu vorm Menschen abgelegt, als dessen putziger Kostgänger das Über-Leben in der Stadt dem Er-Leben von Freiheit in der Wildnis vorgezogen hatte, nur eine verschobene Gefährdung der Dickschwänze: „Fürsorge schafft Bedürftigkeit“, dachte er, und dass nun die Bilche, natürlicher Fertigkeiten zum Nahrungserwerb entwöhnt, Zivilisationskrankheiten erliegen würden, ihnen künftighin Fettleibigkeit statt Füchsen – das Video hatte wirklich fette Bilche gezeigt! – infektiöse Katzenflöhe statt Uhus den Garaus machten. Die Siebenschläfer hatten die sichere Versorgung der Freiheit vorgezogen; ob das Aussterben der bedrohten Tierart dadurch beschleunigt wurde, war eine interessante Frage.