Die Festung, die der Krieg vergaß

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Als die gewaltige Anlage 1906 fertiggestellt wurde, steckte in ihrem Inneren das Modernste an verfügbarer Technik – von Generatoren zur Stromerzeugung über die Be- und Entlüftung, die Einrichtungen für Bestückung, Wartung, Einsatz der Kanonen, die Backöfen und Schnellkochtöpfe für 2000 Mann Besatzung, Telefone, Aufzüge. Meterdicke Betonmauern hätten jedem Angriff widerstanden, aber es wäre wohl kaum ein Angreifer in die Nähe der Festung Obergentringen gelangt, weil unterirdische Gänge zu Außenposten eine Sicherung von allen Seiten ermöglichten und der Ausblick von der Anhöhe weit über die Ebene um die Stadt Diedenhofen reichte, die Kanonen konnten aus jeder Richtung anrückende Gegner beschießen. Sie wurden nie gebraucht.

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Ehrenamtliche Museumsführer halten über hundert Jahre danach große Teile der alten Technik in Funktion, sie schwärmen noch heute von der Modernität der Ausrüstungen. Es sind pensionierte französische Techniker – die Festung aber wurde im Deutschen Kaiserreich gebaut. Diedenhofen – französisch Thionville – hatte eine lange Geschichte als Kriegsschauplatz und umkämpfte Stadt; ihre strategische Bedeutung wurde durch mehrere Besuche Kaiser Wilhelms II. in dem militärtechnisch vorbildlichen Obergentringen bis 1914 unterstrichen. Der I. Weltkrieg zog dann ebenso spurlos vorbei wie der II. – da fungierte die „Groupe fortifiée de Guentrange“ nur mehr als Hilfseinrichtung für die Maginotlinie, nachdem das französische Militär sie nach der deutschen Niederlage 1918 unversehrt übernommen hatte. Diedenhofen war wieder zu Thionville geworden, aber die moderne Kriegführung mit Panzern und Luftwaffe machte alle Festungsbauten der Maginotlinie obsolet.

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Ein Besuch in „Obergentringen“ verblüfft nicht nur durch Geräusche und Stimmungen der intakten unterirdischen „Arbeitsplätze“ für den Kriegsfall, er erhellt auch die Geschichte der Militärtechnik bis in die Moderne: Planungen in großen Zeiträumen, wie sie des Kaisers Generalstab zu Anfang des 20. Jahrhunderts noch anstellte, wurden von den technischen Entwicklungen überholt. Zugleich wurden die Todesmaschinen der Weltkriege zum Menetekel für den möglichen Einsatz von Atomwaffen über Hiroshima hinaus.

Ob “Abschreckung” wirklich funktioniert – diese Frage wird auch kein “Raketenschirm” beantworten.

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